Eure königliche Hoheit,
Kronprinzessin von Aotearoa
Auch wenn in den sozialen Medien gerne das Gerücht kursiert, Disney habe sich an ihr für "Moana" orientiert, weil es ein (verwackeltes und heimlich gefilmtes) Video (angeblich) von ihr gibt, wie sie am Strand steht und aufs Meer blickt, ist die Kronprinzessin eher das Paradebeispiel für den Inselstaat ganz am Rande der Welt: Nach außen hin wirkt sie stets fröhlich, zuversichtlich, setzt sich viel für humanitäre Projekte ein, zeigt Volksnähe und kann trotzdem mit diplomatischen Geschick überzeugen. In ihrem Inneren sieht es jedoch ganz anders aus, aber dies wissen nur ihre Vertrauten.
27 Jahre | 178 cm
04.01.2025, 18:53
Grace war ja durchaus schon öfter auf den europäischen Kontinent gereist und kannte die einen oder anderen Tricks, um a) so wenig Zwischenstopps wie möglich beim Fliegen bestreiten und b) nicht unendlich viel Zeit im Flieger verbringen zu müssen, aber nach knapp 32 Stunden Anreise hatte sie ganze 2 Tage zur Akklimatisierung gebraucht, um gefühlt wieder geradeaus schauen zu können. Und das auch ohne die erwartete Migräneattacke, die sie mit jeder Menge Tabletten und ihrem „Vampirschlaf“ abfangen konnte. Ätzend.
Doch dank guter Planung hatte sie bis zum Eröffnungsbankett noch genügend Zeit gehabt. Leider lag ihre Unterkunft nicht so ideal, dass sie gemütliche Spaziergänge zur Erholung oder Vorweg-Entspannung unternehmen könnte. Das Hotel an sich war extrem schön, der Wellness- und Fitness-Bereich und vor allem das Frühstück nur zu empfehlen, aber sobald man die Tür verlassen wollte, glaubte man mitten auf einem Hauptverkehrspunkt zu stehen. Praktisch, wenn man von hier aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiterreisen wollte, aber sie war keine gewöhnliche Touristin, die Hop-on-Hop-off durch die City trampen konnte. Wollte vielleicht, aber das würde ihr Sicherheitschef niemals zulassen. Dabei war Grace sich ziemlich sicher, dass sie hier absolut unerkannt bleiben würde. Wer kannte schon Aotearoa in Österreich und dann auch noch sie, wo sie doch die letzten Jahre ziemlich gut Verstecken in Japan gespielt hatte?! Dafür hatte Grace besagten Wellness- und Fitness-Bereich erprobt und sich nach ihrer Migräne doch noch ein bisschen erholt, bis sie sich in ihr Abend-Outfit geworfen und mit weiteren Vertretern Aotearoas auf zum Schloss Schönbrunn gemacht hatte, wo das Eröffnungsbankett stattfinden sollte. Das Eröffnungsgeplänkel hatte Grace nur am Rande mitbekommen. Ehrlicher Weise war sie dezent überfordert. Die Konferenzen in Wien waren ihr erster internationaler Auftritt nach Drakes Tod und dermaßen überladen mit Gästen, dass die Kronprinzessin kaum wusste, was sie mit solch einer Masse an dargebotener Dekadenz und Zurschaustellung anfangen sollte. Natürlich fehlte ihr nicht jeglicher Luxus, um Dekadenz in Abrede stellen zu dürfen – sie trug die Lieblingsdiamantohrringe ihrer Mutter und das Kleid, welches mit seinen bunten Mosaiken extra für den Abend entworfen worden war und für die Vielfalt der Veranstaltung stand – aber bei manch anderen Gästen könnte man durchaus meinen, dass direkt im Anschluss der heißersehnte Ball warten würde, statt ein üppiges Fressgelage. Dabei war üppig absolut untertrieben. Das, was aufgetischt wurde, übertraf eindeutig ihre Erwartungen. Keine Ahnung, was sie sich vorgestellt hatte, aber dieses Übermaß konnte doch kaum von den Gästen vertilgt werden, wo doch eh die Hälfte nur mäuseartig aß, um bloß noch atmen zu können. Wenigstens gab die Buffet-Form Grace die Gelegenheit, sich etwas von ihrem Kiwi-Papa abzukapseln und eine Person ausfindig zu machen, der sie ganz zu Beginn nur flüchtig, aber in absoluter Freundschaft verbunden, zugelächelt hatte: Valentina. Oder wie sie heute hieß: Ayumi. „Sag mir, dass du die japanischen Köstlichkeiten schon probiert hast und sie wenigstens authentisch sind.“, flüsterte sie auf Deutsch kaum hörbar dem Rotschopf von hinten zu, als sie die Kaiserin von Japan am Buffet gefunden und sich zu ihr durchgeschlängelt hatte – wohl bedacht, Niemanden zu stören oder gar zu berühren. Grace hatte so viel Zeit nach dem Tod ihres Verlobten in Japan verbracht, dass die beiden Frauen, die nebenbei gut 14 Zentimeter Körpergröße trennten, sodass Gracelyn sich – wie so oft – herunterbeugen musste, die höfflichen Titel und Ansprachen im leisen Gespräch gut und gerne weglassen konnten. Erst als Ayumi sich umdrehte, ging Gracelyn zu einer höflichen und standesangemessenen Begrüßung über, verbeugte sich und lächelte ihre Freundin dann verschmitzt an. „Hey meine Liebe. Seid ihr gut hergereist?“ Mittlerweile hatte eine aufmerksame Kellnerin Gracelyn mit einem Teller versorgt, so als wäre die Kronprinzessin zu dumm, sich selbst einen zu organisieren … ja auch in Aotearoa kannte man Buffets. Jedenfalls nutzte Grace die Gelegenheit die weniger frequentierte Speisen, die direkt neben ihr standen, in kleinen Häppchen – umso kleiner, desto mehr passte auf den Teller! – auf dem schicken Porzellan zu drapieren. So langsam meldete sich doch der Hunger.
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